Wie einst die Lichtgestalt im deutschen Fußball, Franz Beckenbauer, hat Aziz Acharki als Kämpfer und später auch als Trainer die Weltmeisterschaft gewonnen. Seine Vita ist voll mit Erfolgen, hat wie kaum ein anderer mehr für den deutschen Taekwondo-Sport geleistet.
Bei unserem Gespräch wird uns schnell klar, hier weiß einer worüber er spricht! Er ist kein „Besserwisser“, sondern ist jemand der es schon besser gemacht hat. Mit seinem eigenen Kopf und seiner Kontroverse ist er sicherlich nicht „pflegeleicht“. Was aber sofort auffällt ist, dass es sich hier um eine Person handelt, die zuhört und vor allem teamfähig ist. Mit viel Geduld „philosophiert“ Acharki über seine Erfahrung und über seinen Sport, dem er so viel zu verdanken hat. Es macht einfach Spaß ihm zuzuhören und am Ende erreicht uns auch sein Standpunkt. Uns wird schnell bewusst, dieses Interview ist ein toller Zeitzeuge für eine ganze Sportart.
Frage: An welche Erfolge erinnerst Du Dich besonders gerne? Und was ist schöner, als Sportler erfolgreich zu sein, oder als Trainer einen Sportler geformt zu haben?
AA: Beides war ein unglaubliches Gefühl. Am Anfang steht für mich mein eigener Erfolg. Als ich 1995 Weltmeister geworden bin, das war für mich wie ein Traum, der in Erfüllung ging. Zuvor gab es leider einige Vize-Meisterschaften zu feiern, auch die von meinem damaligen Trainer Dr. Thomas Fabula, bei dem ich mit dem Taekwondo angefangen habe. Das ich es dann selbst geschafft habe, war ein unglaubliches Gefühl und gehört zu den schönsten Erlebnissen in meiner Karriere. Als ich 2013 dann Bundestrainer wurde, wollte ich das Gefühl unbedingt noch mal als Trainer erleben. Als Tahir Gülec dann 2013 in Mexico Weltmeister wurde, war das wie ein Traum für mich. Mir kamen viele Erinnerungen hoch, das Gefühl war einfach sehr intensiv. Ich habe in meinem Finale 1995 in Manila, einen „Mexikaner“ geschlagen. Ich bekomme heute noch Gänsehaut, wenn ich daran zurückdenke. Ich brauchte Tage um das Ganze emotional zu verarbeiten, die Verbindung war für mich schon sehr ergreifend. Ich bin den Teams noch heute sehr verbunden. Titel gewinnt man nicht allein, dafür braucht man ein starkes Kollektiv. Ich bin jedem Einzelnen heute noch sehr dankbar, für die gemeinsamen Erfolge und Erlebnisse.
Frage: Der TUNRW ist gerade als neues Mitglied von der DTU aufgenommen worden. Leider sind aber noch ein paar Sachen zu klären, u.a. steht auch eine Schadensersatzforderung im Raum, die anscheinend von der DTU ignoriert wird. Für die Sportler wäre es schön, wenn es endlich mal wieder nur um den Sport gehen würde. Wie beurteilst Du die aktuelle Situation für die Sportler? Wie beurteilst Du den Streit? Hier geht es doch lange schon nicht mehr um die Sache?!
AA: Ich konnte schon aus Saudi-Arabien beobachten, dass bei der NWTU die Strukturen irgendwie nicht mehr stimmen. Auf einmal, waren dann auch die starken Vereine & Sportler alle weg. Bei der TUNRW konnte ich dann sehen, wie wieder akribisch an professionellen Strukturen gearbeitet wurde. Ich bin mir sicher, die TUNRW wird in absehbarer Zeit zu den besten Verbänden in Deutschland gehören. Daran geht kein Weg vorbei. Wenn ich mir die Erfolge bei den letzten Deutschen Meisterschaften der Kadetten anschaue, ist der TUNRW schon der beste Verband der DTU!
Dabei haben die Verantwortlichen gerade erst mal eine Basis geschaffen. Für die Zukunft erwarte ich noch viel. Beim TUNRW arbeiten fähige Leute, gute Trainer. Einem Verband in Nordrhein-Westfalen konnte einfach nichts Besseres passieren. Antonio Barbarino ist international erfahren, mit guten Kontakten und hat bestimmt selbst noch große Ziele. Genau das, braucht man auch in dieser Situation. Ich werde meine Erfahrung in Zukunft voll mit einbringen. Die Atmosphäre ist einfach schön.
Frage: Im Interview beim „1. Internationalen Taekwondo Trainings-Camp mit den Weltstars“ hast Du gesagt, dass beim Taekwondo auch Regeln eingehalten werden müssen, die man auch im echten Leben beachten sollte. Was hast Du genau damit gemeint?
AA: Die beste Integration gibt es nur in den Sportvereinen. Speziell Taekwondo ist prädestiniert für ein respektvolles Miteinander. Das beobachte ich nicht nur beim OTC, ich beobachte das auch bei anderen Vereinen. Im Taekwondo gibt es keine Berührungsängste. Da fragt keiner: „Wo kommst Du her?“. Es wird nicht über die Hautfarbe oder Religion gesprochen. Wir trainieren zusammen und leben die Regeln von unserem Sport. Taekwondo hat traditionelle Werte. Das sind genau die Werte, die in der Gesellschaft komplett untergegangen sind. Wenn ich gelegentlich mal mit dem Bus fahre, beobachte ich das jedes Mal. Der Umgang mit den Älteren in unserer Gesellschaft ist nicht mehr der, der er früher einmal war. Taekwondo verbindet heute noch genau diese Werte – eben nicht nur Fuß und Faust. Wichtig ist vor allem der Weg bzw. die Lehre!
Wer sein Kind bei uns anmeldet, möchte in erster Linie nicht, dass wir es zum Weltmeister machen. Vielmehr geht es vielen Eltern darum, dass ihre Kinder selbstbewusster werden. Die Schüler bei uns lernen, auch spielend, Werte wie Respekt und Disziplin. Gerade beim Kampfsport sind solche Regeln sehr wichtig. Und das finden alle Kinder bei unserem schönen, olympischen Sport!
Frage: Mit Deinen Erfolgen und Deiner Aura wärst Du ein perfekter Botschafter. Hattest Du Dir schon mal überlegt Dich in den Vorstand wählen zu lassen?
AA: Wenn Du Dein ganzes Leben so für diesen Sport gelebt hast, zuschauen musst, wie der Sport zurzeit eher Tal abwärts unterwegs ist, wäre es mir sogar eine große Ehre. Klar, ich stehe zur Verfügung. Meine Ansprüche sind andere und ich weiß, es ist möglich zu schaffen. Deutschland gehört wieder zurück an die europäische Spitze!
Frage: Welche Chancen siehst Du für Taekwondo? Die Atmosphäre bei Wettkämpfen, sollte doch auch „neutrale“ Zuschauer anziehen?
AA: Der Sport braucht Entertainment, Unterhaltung für die ganze Familie. Wenn man sieht, wer alles zu einem Turnier kommt – bei manchem Sportler ist es fast die ganze Familie. Mutter, Oma, Tante etc. – die wollen unterhalten werden. Es wäre schön, wenn sich dort etwas Passendes entwickeln würde. Das würde für alle ein großer Mehrwert sein und den Sport auch für neutrale Zuschauer attraktiver machen. Selbst bei den German Open passiert eigentlich nicht viel. Es wird nur gekämpft, vielleicht noch eine Siegerehrung. Dafür bezahlen die Zuschauer auch noch Eintritt. Da sind viele andere Sportarten einfach viel weiter. Vielleicht sollte man sich mal von Profis beraten lassen, wie man den Sport bei Turnieren besser vermarkten kann?!
Es ist traurig, wie bei manchen Turnieren z.B. bei der DEM Nürnberg, die Medaillen überreicht werden. Lieblos auf der Matte. Das ist keine Wertschätzung und damit tut man dem Sport auch keinen Gefallen! Wenn man bei einem Turnier eine Medaille gewinnt, sollte das auch entsprechend gewürdigt werden. Mindestens mit einer Siegerehrung. Die Sportler sollten auch Fotos von dem Moment machen können. Sie zahlen mindestens 30€ Startgeld. Keine Frage, da sollte in Zukunft mehr kommen.
Das komplette Interview gibt es exklusiv in der aktuellen Ausgabe „Taekwondo-Akuell“ August 2019