Taekwondo steht in seiner Tradition vor allem für Respekt. Ob Mensch mit körperlicher Einschränkung, mit Behinderung oder beispielsweise mit Downsyndrom: In der TUNRW ist jeder herzlich willkommen!
Unser Verband steht für ambitionierten, aber auch für einen gemeinschaftsorientierten Breitensport ohne Leistungsdruck. Jeder soll sich wohlfühlen und dabei soll – egal was man macht – der Spaß im Vordergrund stehen. Das Präsidium lebt es vor, wir begegnen uns im Verband auf Augenhöhe.
Mit dem Verein TABALiNGO Sport & Kultur integrativ gehört ein Verein zu unserem Verband, der sich intensiv mit dem Thema Inklusion beschäftigt. Mit Rajae Akermach vom OTC Bonn haben wir zudem eine junge Sportlerin, die eine berechtigte Chance hat, sich für die Paralympics zu qualifizieren. Wir möchten das Thema Inklusion nicht – sprichwörtlich – unter den Tisch fallen lassen und sprechen mit unserer Para-Referentin Erika Jakschewski.
Inklusion: Respekt ist für uns nicht nur ein Slogan
Stefan Gottschalk: Erika, erkläre doch bitte, was für dich Inklusion bedeutet. Welche Ziele und Wünsche hast du?
Erika Jakschewski: Da ich Para-Referentin bin, möchte ich die Wahrnehmung der Vereine sowie Trainerinnen und Trainer auch auf Menschen mit Behinderung erweitern. Einige Vereine in unserem Verband haben bereits Sportlerinnen und Sportler mit körperlicher oder geistiger Behinderung. Andere fragen sich, ob sie das auch können. Nach meinen Erfahrungen bereichert das den Verein. Allerdings bedeutet es auch, dass der Verein sowie die Trainerinnen und Trainer voll dahinterstehen müssen. Eltern sowie Sportlerinnen und Sportler stellen Fragen, gerade Kinder, und man sollte dabei klar äußern, dass der Verein für Vielfalt steht.
Stefan Gottschalk: Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass unsere Para-Sportkameradinnen und -kameraden ganz normal behandelt werden möchten. Eine offene Frage zur Behinderung ist ihnen manchmal lieber als Getuschel oder unangenehme Blicke. Wie stellst du dir das Miteinander vor?
Erika Jakschewski: Wie Du schon sagst, hat das Miteinander viel mit Offenheit von allen Seiten zu tun. Am Anfang wird es Fragen geben und auch Blicke, aber das dient auch zum gegenseitigen Verstehen. Die Trainerinnen und Trainer sind hierbei ein wichtiger Faktor. Die Sportlerinnen und Sportler sind nicht gleich, das wissen alle Trainerinnen und Trainer. Der eine lernt schnell, der andere kann sich keine Poomsae merken und wiederum ein anderer ist nicht so beweglich. Wenn ich mir als Trainerin das so bewusst mache, ist eine Behinderung auch darunter zu fassen.
Stefan Gottschalk: Wie kann man sich das Training in euren Dojang vorstellen? Seid ihr gut ausgestattet oder fehlt es gelegentlich an spezifischem Trainingsmaterial?
Erika Jakschewski: Ich bin Trainerin von zwei Vereinen: Erstens Han Kook Linnich, meinem eigenen Verein und zweitens der Taekwondo-Sportabteilung von TABALiNGO e.V.
In meinem Verein trainieren im Moment zwei Kinder und bei TABALiNGO etwa 14 Sportlerinnen und Sportler mit einer Behinderung. Vom Material her ist das weniger das Problem. Wir verwenden die gleichen Materialien wie immer beim Training. Allerding benötigen wir vor allem am Anfang mehr Trainerinnen und Trainer oder Trainingshelferinnen und -helfer oder spezielles Material wie zum Beispiel für die Kommunikation, also etwa Talker oder Karten. Viele Eltern sowie Sportlerinnen und Sportler bringen das aber schon mit zum Training. Bei Kindern ist es am Anfang manchmal nötig, eine Trainingshelferin oder einen Trainingshelfer für das Kind zu haben, um das Defizit individuell aufzuarbeiten.
Bei tauben Menschen ist zum Beispiel eine Erklärung mit Sichtkontakt notwendig, ist ein Bein
kürzer, muss die gleiche Länge der Stellungen auf beiden Seiten oder Tritten trainiert werden und bei einer sozialen Behinderung sollten das Verhalten der anderen und der Ablauf des Trainings erklärt werden.
Das klingt jetzt besonders aufwendig und schwer. Aber mit der richtigen Vorbereitung ist das gut zu schaffen.
Stefan Gottschalk: Wie könnte man die Sportlerinnen und Sportler mehr unterstützen? Wie können eventuell die anderen Vereine helfen?
Erika Jakschewski: Indem wir behinderte Sportlerinnen und Sportler in den Vereinen trainieren lassen. Da Taekwondo ein Sport ist, der den ganzen Körper beansprucht, scheuen sich viele behinderte Sportlerinnen und Sportler oder deren Eltern, in Vereinen nachzufragen. Zu oft bekommen sie bei Sportvereinen jeglicher Art Absagen, da Ängste und Unwissenheit zu Ablehnung führen.
Stefan Gottschalk: Wie können wir helfen, behinderte Menschen grundsätzlich besser in die Gesellschaft zu integrieren?
Erika Jakschewski: Deutschland hat 2009 die UN-Behindertenrechtskonvention unterschrieben und seitdem ist auch in unserem Land Inklusion ein Menschenrecht. Solange Kinder mit Behinderung jedoch noch in speziellen Schulen unterrichtet werden oder danach in speziellen Betrieben arbeiten müssen, ist Inklusion noch weit entfernt. Hier findet aufgrund von mangelndem Geld, fehlendem Personal oder baulichen Grundbedingungen immer noch Separierung statt. Die ganze Gesellschaft können wir nicht ändern, aber innerhalb unseres Sports ist das möglich. Die Prüfungsordnung oder Wettkampfordnung ist bereits darauf eingerichtet. Wir als Vereine können die Sportlerinnen und Sportler integrieren und dadurch auch dazu beitragen, dass behinderte Menschen nicht vor den Sporthallen bleiben müssen.
Stefan Gottschalk: Zum Schluss noch eine persönliche Frage. Du bist für deinen Job, deine Funktion, einfach für den sozialen Umgang mit behinderten Menschen geboren. Was bedeutet dir deine Aktivität?
Erika Jakschewski: Ich bin von Beruf Krankenschwester und arbeite seit vielen Jahren mit behinderten oder todkranken Kindern. Von ihnen habe ich gelernt, dass sie jeden Tag etwas Neues erleben möchten. Sie finden Wege, mit ihren Behinderungen und Krankheiten klarzukommen. Als die Gründerin und Leiterin von TABALiNGO, Ursula Espeter, auf mich zukam und fragte, ob ich die Taekwondo-Abteilung übernehmen möchte, habe ich schnell zugestimmt. Es macht mir viel Spaß, zu sehen, wie jeder Einzelne sich über die Jahre entwickelt hat. Eine Gürtelprüfung ist immer wieder ein großes Ereignis und die Freude, wenn man eine neue Gürtelfarbe erreicht hat. Ich finde, es ist wichtig, im Verein zu vermitteln, dass jeder individuell ist und so akzeptiert wird. Das führt zu Verständnis und Inklusion aller Menschen. Ich habe gesehen, wie es für Kinder schnell normal war, behinderte Kinder um sich zu haben, und Eltern verstanden haben, dass ihre Kinder dadurch nicht schlechter trainiert werden.