Mittlerweile ist es ein Kinderspiel, Menschen weltweit zu verbinden. Moderner Broadcast ist längst fernsehtauglich. Dank moderner Technik wäre es heutzutage sogar möglich, problemlos eine Talkrunde vom Mount Everest zu übertragen. In einer Zeit, in der YouTube-Vlogger mit ihren Beiträgen – und wenn es nur das Auspacken eines Kartons ist – ihren Lebensunterhalt verdienen können, sollten sich ambitionierte Turnierveranstalter dringend Gedanken über dieses Thema machen.
Anbieter gibt es viele – auch weil es immer einfacher wird, einen Livestream zu senden. Mittlerweile werden, wegen der Transparenz, sogar Stadtratssitzungen als Livestream zur Verfügung gestellt. Aber Achtung: Es gibt nicht nur in der Qualität große Unterschiede. Wir hatten die Gelegenheit uns mit Benjamin Günther über das Thema auszutauschen. Er liefert von Taekwondo-Turnieren nicht nur den Livestream, sondern bietet seinen Kunden noch weitere, nützliche Dienstleistungen an.
Was genau umfasst Dein Dienstleistungsangebot? Was kann man alles von Dir bekommen?
BG: Mein Angebot hat sich in den letzten Jahren stark vergrößert, inzwischen sind meine Schwerpunkte das ORV Management (Planung und Ergebnisverwaltung), Support und Vermietung von elektronischer Schutzausrüstung (Daedo Gen2) sowie dem IVR (Video Replay). Darüber hinaus gibt es dann je nach Event noch viele weitere Dinge wie Bildschirmvermietung, Coachboxen, Banden, Medaillen und auch seit diesem Jahr in der Testphase Livestreaming.
Wie lange brauchst Du, um Dich für eine Veranstaltung vorzubereiten, und wie lange brauchst Du bei den Turnieren vor Ort. Zum Beispiel für Auf- und Abbauen und so weiter?
BG: Die Vorbereitungsphase ist je nach Turnier und Größe unterschiedlich, bei den meisten Turnieren benötige ich 10-12 Stunden für die Planung und Verwaltung. Am Aufbautag ist es je Fläche eine Stunde, hier kommt es aber auch ganz darauf an, was der Event Ausrichter alles von mir benötigt.
Dann habe ich jedes Jahr ein paar große Events, für die ich inzwischen pro Woche 2-3 Stunden Arbeitszeit benötige, hier dauert dann der Aufbau meist auch etwas länger 😉
Clever finde ich auch den Service, YouTube als Demand-Quelle zu nutzen. Gehört das immer zum Packet oder müssen das die Kunden dazu buchen?
BG: Die Idee mit YouTube hatte ich schon vor 8 Jahren, nur zu dieser Zeit hatte ich noch zwei Probleme. Zum einen meine DSL light Internetverbindung und zum anderen meine Technik, die für das Video Replay gut war, aber nicht mehr hergegeben hat.
Der Wendepunkt war 2015 – 2017 mit meinen Jobs als Technical Operation Manager bei den European Games für Taekwondo und bei den Asian Indoor und Martial Art Games für Kickboxen. Dort bekam ich die Möglichkeit mit professionellen Broadcastern zusammen zu arbeiten, die mir einen komplett neuen Blickwinkel in das Mögliche gegeben haben.
In dieser Zeit habe ich sehr viele neue Ideen ausprobiert und mich schlussendlich für ein System entschieden, das weltweit zum professionellen Broadcasting sowie Video Replay eingesetzt wird.
Nun teste ich seit ein paar Monaten mein neues System und versuche bei so vielen Events wie möglich einen Stream anzubieten.
Für die Events, bei denen ich das Video Replay anbiete, ist der Stream und das Onlinestellen der Kämpfe auf meinem YouTube Kanal TaekwondoReplays kostenlos.
Ich habe jetzt ein paar Liveübertragungen vor Ort aber auch als Livestream sehen können. Was mir auffällt ist, dass Dein Service noch nicht einmal im Ansatz optimal genutzt wird. Moderation, Interviews, evtl. sogar auch mal eine Kampf-Moderation wäre problemlos möglich. Man muss ein Rad nicht immer neu erfinden, selbst eSport Veranstaltungen werden um ein Vielfaches liebevoller transportiert. Sprichst Du die Möglichkeiten bei Anfragen evtl. auch schon mal an? Wollen das die Teams grundsätzlich nicht oder ist der Sport einfach noch nicht soweit?
BG: Taekwondo und Livestreaming ist ein stiefmütterlich behandeltes Thema. Andere Sportarten sind hier schon um Jahre voraus und bei uns gibt es leider nur vereinzelt Events, die es schaffen, eine professionelle Übertragung zu produzieren. In den letzten Jahren hat sich der Broadcasting Bereich stark entwickelt. Wenn man früher Hunderttausende von Euros in gute Produktionstechnik stecken musste, ist es heute schon mit weitaus weniger Geld möglich, einen anständigen Stream auf die Beine zu stellen.
Es ist sogar so weit, dass 14-jährige aus ihrem Kinderzimmer professionelle Übertragungen über Twitch oder YouTube starten, was wir uns noch vor Jahren gar nicht vorstellen konnten. Hier haben wir für unseren Sport auch noch sehr viel Potenzial.
Aktuell bin ich noch etwas entfernt von der Idee, die ich in Zukunft umsetzen werde und teste von Event zu Event neue Sachen, aber es geht mit großen Schritten voran und ich weiß, dass wir in naher Zukunft auch von kleineren Veranstaltungen richtig gute Livestreams sehen werden.
Auffallend ist auch, dass teilweise die Werbebanden bereits vermarktet sind. Speziell in Großstädten eröffnet das den Veranstaltern viele Möglichkeiten. Warum wird das so wenig genutzt?
BG: Werbung ist ein leidiges Thema, das ich mit allzu vielen Event Organisatoren schon besprochen habe. Viele in dem Bereich denken einfach noch, dass wir eine Randsportart sind und sich keiner für unseren Sport interessiert. Des Öfteren höre ich auch, dass sie es ja versucht haben bei Firmen anzufragen, aber nach der zweiten Absage aufgegeben haben.
Dann habe ich aber inzwischen mehrere Organisationsteams, die es schaffen, beträchtliche Summen über Sponsoring zu bekommen. Bei den erfolgreichen Events sieht man, dass sich mit dem Thema Marketing/Sponsoring Personen beschäftigen, die in ihrem Job auch mit ähnlichen Themen zu tun haben und sich für das Event mehrere Stunden die Woche über ein ganzes Jahr nur dafür einsetzen.
Andere Organisatoren beauftragen Studenten für ihr Marketing/ Sponsoring und zahlen diesen dann 15-20% ihrer Sponsoringeinnahmen. Wenn es jemand schafft, ein gutes Konzept für sein Event zu entwickeln, in dem er seinen Marktwert hervorheben kann und sich in der Woche 4 Stunden Zeit nimmt, kann er in einem Jahr viel erreichen.
Wie sieht für Dich das perfekte Turnier aus? Wie würdest Du als Veranstalter planen?
BG: Ein perfektes Event gibt es nicht. Man wird immer nach dem Event den ein oder anderen Punkt finden, den man verbessern kann. Für mich beginnt ein gut organisiertes Event mit der Planung, die mindestens 1 bis 1 1/2 Jahre im Voraus anfangen muss. Im Taekwondo WM Team für Manchester 2019 arbeiten mehr als 10 professionelle Mitarbeiter 8-10 Stunden am Tag für die Vorbereitung der WM und das schon seit über einem Jahr. Das bedeutet für ein kleinen Events sollte man sich ein Team aufbauen, das in der Woche 2-3 Stunden an Zeit investieren.
Es scheint so, dass Du im Taekwondo schon sehr gut eingebunden bist. Hast Du noch Zeit für andere Projekte?
BG: Neue Ideen habe ich viele, nur an der zeitlichen Umsetzung fehlt es dann meist. Mein wichtigstes Projekt ist aktuell, das Video Replay und Streaming Konzept umzusetzen, dies ist auf 4 Jahre ausgelegt und aktuell bin ich in meinem ersten Jahr, also ist da noch viel zu tun.
Welchen Wunsch würdest Du Dir gerne mal selbst erfüllen?
BG: Mein großes Ziel ist es mit meinen Ideen unseren Sport hier in Deutschland weiterzubringen und eines Tages für eine Olympiade zu arbeiten (im Sports Taekwondo Team). Taekwondo Aktuell 06/2019